Die Leihgroßeltern sind eines der erfolgreichsten Projekte der Initiative Lebensraum Möhringen. Allerdings ist die Nachfrage größer als das Angebot.

Erich Kästner formulierte es einst so: „Erst bei den Enkeln ist man dann so weit, dass man die Kinder ungefähr verstehen kann.“ Doch was zu Lebzeiten des deutschen Schriftstellers noch galt, ist mittlerweile schwierig geworden. Denn oft wohnen die Großeltern weit weg von ihren Enkelkindern. An dieser Stelle setzt das Projekt Leihgroßeltern der Initiative Lebensraum Möhringen-­Fasanenhof-­Sonnenberg (ILM) an. Es vermittelt Ehrenamtliche an junge Familien.

Es sind in aller Regel Senioren, oft frisch im Ruhestand, die Zeit haben, eine Aufgabe suchen und sich engagieren wollen. Die ILM betreut etwa 20 Leihomas und Leihopas. Doch die Nachfrage ist viel größer. Sechs Familien stehen auf der Warteliste. „Manche von ihnen warten schon ganz lang“, sagt Jessica Knirsch. Sie ist die ehrenamtliche Projektleiterin. Denn die ILM arbeitete die Warteliste nicht einfach ab. „Wir schauen, dass es auch passt“, sagt die Diakonin und IlLM Geschäftsführerin Birgit Keyerleber. Die Mitarbeiter der ILM machen im Vorfeld Hausbesuche. Und zwar sowohl bei den Familien, die sich Leihgroßeltern wünschen, als auch bei denjenigen, die sich als Leihoma oder Leihopa einbringen wollen. Dabei geht es um Fragen wie: Junge oder Mädchen? Ein Kind oder mehrere Kinder? Wie alt ist der Nachwuchs? Und was machen die Kinder und die potenziellen Leihgroßeltern gern? Darüber hinaus geht es oft auch um die örtliche Nähe. Für die ehrenamtlichen ILM ­Mitarbeiter sei das eine zeitintensive Vorbereitung, betont Keyerleber. Doch diese sei wichtig. „Denn es geht nicht um eine Tagesmutter, die einfach nur gebucht wird. Es ist ein langfristig angelegtes Beziehungsprojekt.“

Viele junge Eltern würden wegen der Arbeit nach Stuttgart kommen. „Dann fehlen aber die familiären Bezüge“, sagt die Diakonin. Das Ziel des ILM Projekts sei es, dass Kinder Kontakt zur älteren Generation bekommen. Dass der Nachwuchs, aber auch die Eltern einen zusätzlichen Ansprechpartner haben. Das kann Knirsch nur bestätigen. Viele Jahre lang hatte sie selbst eine Leihoma für ihren jüngsten Sohn. Die Frau heiße Barbara, doch der Junge habe immer von seiner „Labala“ gesprochen, erinnert sich Knirsch und lacht.

Die Leihomas und Leihopas verbringen in der Regel einen Nachmittag mit den Kindern. Dann machen sie die Dinge, zu denen den Eltern oft die Zeit fehlt. Das muss nicht immer ein Ausflug in die Wilhelma sein. Oft geht es um Kleinigkeiten: Kekse backen, in die Bibliothek gehen oder einfach nur auf der Baustelle minutenlang dem Bagger und Radlader zusehen. Manchmal sind die Leihgroßeltern für die Eltern auch die Retter in der Not. Dann zum Beispiel, wenn kurzfristig ein Babysitter gebraucht wird. Die Leihomas sind aber keine Tagesmütter und keine Haushaltshilfe. „Mit der Zeit werden es aber oft gute Freunde der Familie“, sagt Knirsch. Die Leihoma ihres Sohnes kommt mittlerweile nicht mehr, um den Jungen zu betreuen. Aber immer mal wieder kommt sie auf eine Tasse Kaffee und einen Plausch vorbei. Und als die Leihoma einmal Hilfe brauchte, war die Familie Knirsch zur Stelle.

Die Leihgroßeltern arbeiten ehrenamtlich. Sie sollten Freude am Umgang mit Kindern haben, offen und flexibel sein. Mehr muss man an Voraussetzungen für diese Aufgabe nicht mitbringen. Die ILM erstattet den Ehrenamtlichen entstehende Kosten, und alle Leihomas und Leihopas sind über den Verein versichert. Die ILM bekommt für das Projekt keine Zuschüsse. Dennoch ist das Angebot für die Familien kostenlos. Allerdings wünscht sich der Verein eine Spende in Höhe von drei bis fünf Euro pro Besuch. „Und wir gehen davon aus, dass die Eltern die bei Aus­flügen entstehenden Kosten für ihr Kind übernehmen“, ergänzt Keyerleber.

Leihgroßeltern sind gefragt: Die ILM sucht neue Leihomas und Leihopas. Wer Interesse hat, kann sich im Internet informieren oder unter Telefon 7 19 42 61 oder per Mail Kontakt aufnehmen.

(Alexandra Kratz)

Mit freundlicher Genehmigung der Filderzeitung vom 24.05.2016

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