Gerlinde Zeitler hat die Leitung des Besuchsdienstes übernommen und sucht neue Mitstreiter.
Alle zwei Wochen lauscht Gerlinde Zeitler den Erinnerungen einer 94 Jahre alten Dame. Sie erzahlt von ihrer Kindheit. Wie es war, als sie in die Schule ging, von einem Leben ohne Auto, Handy und Geschirrspüler, aber auch von den Schrecken des Krieges. „Sie ist Zeugin einer Zeit, die ich selbst nicht erlebt habe. Das, was sie mir erklärt, steht in keinem Geschichtsbuch“, sagt Zeitler. Diese Erzählungen sind es, warum Zeitler ihr Ehrenamt so liebt. Seit 2005 engagiert sie sich in der evangelischen Gemeinde Mohringen, seit 2006 macht sie beim Besuchsdienst der Initiative Lebensraum Möhringen-Fasanenhof-Sonnenberg (ILM) mit. Dessen Ziel ist es, alleinstehenden alten Menschen Zeit zu schenken, ihnen zuzuhören, mit ihnen spazieren oder in ein Café zu gehen. Mit ihnen Kreuzworträtsel zu lösen oder aus der Zeitung vorzulesen und so einen Bezug zur Realität herzustellen.
Gerlinde Zeitler hat vor Kurzem die Projektleitung für den Besuchsdienst von Irmgard Schönfuß übernommen. „Mir ist das soziale Engagement wichtig. Das ist mein Beitrag für unsere Gesellschaft. Für mich ist das keine Verpflichtung. Ich mache das gern“, sagt die 59-Jährige. Mittlerweile wohnt sie in Plieningen. Die evangelische Gemeinde Möhringen sei aber nach wie vor ihre Heimat. Für ihr Ehrenamt ist Zeitler gut gerüstet. Sie hat mehrere Ausbildungen absolviert, unter anderem einen Kess-Kurs. Die Abkürzung steht für Kommunikation, Erfahrung, Spiritualität und Seelsorge. „Die Teilnehmer lernen, sich selbst zu reflektieren, anderen Menschen zu begegnen und mit ihren Sorgen und Nöten umzugehen“, sagt Zeitler. Das ist wichtig. Denn alte Menschen, die allein sind, leiden oft an depressiven Stimmungen oder einer beginnenden Demenz. Sie sind vielfach misstrauisch und ängstlich. Sie können verloren gegangene Beziehungen nicht kompensieren oder Hilfe organisieren und geraten so zunehmend in die Isolation.
Derzeit sind es zehn Frauen und ein Mann, die sich für den Besuchsdienst der ILM engagieren. Doch die Zahl der allein lebenden alten Menschen steigt. „Darum brauchen wir dringend mehr Ehrenamtliche“, sagt Birgit Keyerleber. Sie ist Diakonin und die Geschäftsführerin der ILM. Demnächst beginnen neue Schulungen. Die Ehrenamtlichen sind im Verein versichert. Sie erhalten eine geringe Aufwandsentschädigung. Denn für das Projekt gibt es Zuschüsse von der Stadt. „Außerdem hat die ILM eine eigene Dankeskultur entwickelt“, sagt Keyerleber und meint damit zum Beispiel den regelmäßigen Austausch untereinander bei Gruppentreffen, aber auch ein gemeinsames Abendessen als Dankeschön. „Und auch von den alten Menschen, die wir besuchen, kommt ganz viel zurück“, sagt Zeitler.
Wer Interesse an einer Mitarbeit hat, kann sich bei Birgit Keyerleber unter Telefon 7 19 42 61 oder per Mail melden.
(Alexandra Kratz)
Mit freundlicher Genehmigung der Filderzeitung vom 08.03.2016
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