Rechnungen und Formulare stapeln sich, auf einem wachsenden Papierberg liegen ungeöffnete Briefe von Finanzamt, Krankenkasse und Versicherung. Damit wieder alles ordentlich sortiert und erledigt wird, können sich ältere Menschen, die in den Stuttgarter Vororten Möhringen, Fasanenhof oder Sonnenberg wohnen, Hilfe ins Haus holen: die „Kümmerer“.

Mit gleich drei Problemfeldern war Georg Benedict in der Wohnung der älteren Dame konfrontiert, nachdem er die diversen Papiere auf ihrem Schreibtisch gründlich gelesen und gesichtet hatte. An die Gebühreneinzugszentrale wurde lange zu viel Geld überwiesen, die Steuerveranlagung war nicht korrekt berechnet und der Wechsel zu einem neuen Telefonanbieter war auch nicht problemlos über die Bühne gegangen. Höchste Zeit also für den „Kümmerer“, sich einzuschalten und der 76-Jährigen zu helfen. Mit Erfolg: die zuviel bezahlten Gebühren wurden zurückgebucht, der Steuerbescheid geklärt und der Auftrag an die neue Telefongesellschaft storniert. „Die Dame, der ich geholfen habe, ist sehbehindert und kann nur mühsam mit der Lupe Briefe und Formulare entziffern“, sagt der Möhringer, der gerne einen Teil seiner Zeit für dieses Ehrenamt investiert und sich freut, dass er dabei in der Nähe seines Wohnorts agieren kann. Nachdem alles so gut und mit positiven Ergebnissen erledigt werden konnte, hat der Ruheständler nun mit seiner „Klientin“ vereinbart, dass sie ihn bei schriftlichen Problemen gerne anrufen kann. Georg Benedict ist einer von derzeit 15 „Kümmerern“, die ehrenamtlich und mit viel Sachverstand die schriftlichen Angelegenheiten von Menschen erledigen, die selbst nicht mehr dazu in der Lage sind. „Das sind ältere, alleinlebende Personen oder auch Menschen, die mit einem eingeschränkten Partner zusammenwohnen“, erklärt Birgit Keyerleber, Diakonin der evangelischen Martinsgemeinde in Stuttgart-Möhringen. Die Idee, diesen Menschen gezielt bei der Bewältigung von behördlicher Post zu helfen, hat ihren Ursprung in einer Beobachtung, die vor allem Mitarbeiter der örtlichen Diakoniestation häufig machten.

Ob beim Übergang von einer großen in eine kleinere Wohnung oder in ein Heim: Bei den Vorbereitungen eines neuen Lebensabschnitts wächst der Berg der anfallenden Post automatisch an. So müssen beispielsweise Briefe an alte und neue Vermieter, an Versicherungen, Kranken- und Pflegekassen geschrieben, die diversen Abonnements gekündigt und die neue Adresse überall mitgeteilt werden. Birgit Keyerleber: „Vor allem ältere Menschen können damit schnell überfordert sein, das haben die vielen Stapel auf den Wohnzimmertischen deutlich gezeigt.“ Schnell wurde deutlich: Hier muss Abhilfe geschaffen werden, jemand muss sich um den Papierberg kümmern.

Und so entstand nach einer gründlichen Planungsphase und vielen Gesprächen mit potenziellen und jetzigen Kooperationspartnern – dem städtischen Bürgerservice Leben im Alter, der Diakoniestation Möhringen-Sonnenberg-Fasanenhof, dem Haus der Caritas, dem Betreuungsverein Stuttgart-Filder und dem Stadtseniorenrat – das Projekt „Kümmerer“. Projektleiterin ist neben der evangelischen Diakonin auch Sozialarbeiterin Gisela Bischoff. Vor den Einsätzen der Kümmerer, die alle in einem Einführungsseminar geschult wurden, haben die beiden Frauen nicht nur intensive Gespräche mit den ehrenamtlich Tätigen geführt, sondern auch Hausbesuche bei den Hilfesuchenden gemacht. Gisela Bischoff: „Wir schauen dann, dass Kümmerer und derjenige, der das Angebot in Anspruch nehmen möchte, zusammenpassen.“ Bislang sind die Nachfragen aus den drei Stadtteilen – „für diese Bewohner ist das Projekt gedacht“ – noch zurückhaltend. „Die Hürde, einen Fremden in private Papiere schauen zu lassen, mag noch zu hoch zu sein“, vermutet Gisela Bischoff.

Dieses Hindernis hat die Kümmerin Beate Weiser längst übersprungen. Sie besucht einmal in der Woche eine 78-Jährige, deren Kinder weit weg wohnen und die auch sonst nur wenige Kontakte in der Nähe hat. „Ich erledige den Schriftverkehr mit der Krankenkasse und fülle Überweisungsformulare aus. Und ich habe bei der Überprüfung der Papiere schnell bemerkt, dass die Abrechnung für das Essen auf Rädern nicht nachvollziehbar war.“ Die Stuttgarterin löste im Briefwechsel mit der zuständigen Einrichtung das Problem und sorgte so für eine transparentere Auflistung. Auch Beate Weiser, die beruflich mit dem Thema Verbraucherschutz zu tun hatte, trifft auf große Dankbarkeit und ist froh, ihre freie Zeit so sinnvoll einsetzen zu können.

Das Projekt „Kümmerer“ gehört zur Angebotspalette der engagierten „Initiative Lebensraum Möhringen-Fasanenhof-Sonnenberg (ILM)“, die mit vielen attraktiven Ideen und Konzepten die Bürger und die verschiedenen Generationen der drei Stadtteile zusammenbringen möchte. Dazu gehört neben den Projekten Hausaufgabenhilfe, Leihgroßeltern und Mentorensprachkurs auch die Offerte „Einkaufsmobil“. Aber das ist eine andere Geschichte.

(Karin Lutz-Efinger)

Mit freundlicher Genehmigung des Evangelischen Gemeindeblatts für Württemberg Ausgabe 15/2014

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